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Ein Artikel aus
OÖ. Heimatblätter
2013 Heft 3/4

Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um
einen Auszug aus der im Jahre 2012 von Wolfgang Sachsenhofer an der
Katholisch-Theologischen Privat-Universität eingereichten
Diplomarbeit in Kunstwissenschaft.



Abb. oben: Domkrippe, Weihnachtskonfiguration
Abbildungen darunter:
Geburt Christi;
Hirte mit Widder;
Erwachender Hirte


Anmerkung:
(8) Vgl. Vogel, Hermann, Sebastian Osterrieder. Der Erneuerer der künstlerischen Weihnachtskrippe. Leben und Werk, Lindenberg im Allgäu 2010, 85 f.


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Die Linzer Domkrippe von Sebastian Osterrieder und
die Tradition der Weihnachtskrippe in Oberösterreich

Autor: Wolfgang Sachsenhofer


Die Weihnachtskonfiguration


Anbetung der KönigeWenden wir jetzt unseren Blick hin zum Zentrum dieser „Bühne“: zum Stall von Bethlehem. Hier sehen wir im Mittelpunkt die Heilige Familie. Maria kniet betend vor einer niedrigen Krippe, über deren Stroh ein weißes Leinentuch ausgebreitet ist. Darauf liegt das aus Elfenbein geschnitzte Jesuskind, zum Teil mit Windeln umwickelt. Maria trägt ein rotes
Kleid, darüber hat sie einen langen blauen Mantel mit goldenem Futter übergestreift. Dieser Mantel endet am Boden mit zahlreichen gotisierenden Knitterfalten. Ihr Haupt hat sie mit einem weißen Kopftuch bedeckt; daraus quillt ihr langes, gewelltes Haar. Liebevoll hält sie Blickkontakt zu ihrem Kinde.
Ihr gegenüber steht ihr Mann Josef, auch er in betender Haltung dargestellt. Während Maria weder durch ihr Aussehen noch durch ihren Gebetsgestus (sie hat ihre Hände nach abendländischer Art gefaltet) etwas Orientalisches anhaftet, wird Josef klar als Bewohner des Heiligen Landes geschildert. Er ist buntfarbig gekleidet, mit rötlich braunem
Mantel, der an den Füssen mit Faltenspiel endet. Darüber trägt er einen langen, gestreiften Schal mit Quasten sowie ein helles Kopftuch. An seinem Mantelgürtel hängt eine Reiseflasche. Neben seinen Füssen, an denen er die in Palästina üblichen Sandalen trägt, steht ein Teller, worauf sich ein irdener Krug befindet. Josef betet im Gegensatz zu seiner Frau in Orantenhaltung mit ausgebreiteten, erhobenen Armen. Ernst und andächtig sieht auch er zu dem Neugeborenen hinab. (Abb. unten)
Anbetung der Könige
Die Krippe wird von drei langlockigen und mit goldenen Gewändern bekleideten Engeln umgeben, die freudig auf das Kind blicken und mit ihm zu spielen scheinen. Ihre langen und spitzen Flügel glänzen prächtig in goldenen, rosaroten und blauen Farben.
Die Geburtsszene erweckt im Betrachter aber auch gleichzeitig eine Vorahnung auf den künftigen Erlösungstod Jesu: oberhalb des Stalles schweben drei Engel, die die Leidenswerkzeuge in ihren Händen halten. Links der Engel mit dem Kreuz sowie der Lanze mit Schwamm und Kreuzestuch; der Engel in der Mitte hält die Dornenkrone und der rechte Engel einen Kelch für das vergossene Blut Christi. Alle drei haben prächtige goldene Gewänder mit rotem bzw. grünem Innenfutter sowie wunderbar in den Farben
Gold, Blau, Weiß und Rosa schimmernde Flügel.
Aber noch eine andere Anspielung auf die Passion Christi lässt sich beobachten:
Der Stall, in dem sich Ochs und Esel befinden, ist von der Heiligen Familie durch je einen senkrechten und waagrechten Holzbalken getrennt, mit denen die Höhle offensichtlich abgestützt werden soll. Diese beiden Balken ergeben klar die Form eines Kreuzes.
In der Geburtsgrotte, oberhalb des 16-zackigen Glassternes, erkennt man noch einmal vier kleinere Engel im Goldgewand. Zwei davon halten Spruchbänder mit der dem Beginn des Johannesevangeliums entnommenen Inschrift: Et verbum caro factum est (und das Wort ist Fleisch geworden). Die beiden anderen Himmelsbewohner spielen Gitarre und Flöte. Im Mittelpunkt dieser Gruppe schwebte ursprünglich eine Figur Gottvaters in blauem Kleid und goldenem Mantel, die Erdkugel in Händen haltend. Diese ist jedoch seit 1913 im
Zentrum des „Engelschores“ zu sehen.
Die Figurengruppe der Heiligen Familie ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie geschickt es Osterrieder verstand, seine Krippenschöpfungen zu „vermarkten“. Die zentrale Gruppe mit Maria, Josef und dem Jesuskind sowie drei Engeln ist fast ident mit jener, ebenfalls aus Lindenholz geschnitzten, sogenannten „Papstkrippe“, die der Künstler am 4. Juni 1913 an Papst Pius X. in Rom übergab. Lediglich Marias Mantel ist hier golden und Josef ist in einer leicht veränderten Gebetshaltung dargestellt; zu Füssen des Jesuskindes liegt zusätzlich noch ein Lamm mit zusammengebundenen Beinen. Osterrieder hatte offenbar gehofft, mit dieser dem Heiligen Vater gewidmeten Krippe sein Linzer Werk noch übertreffen zu können. (8)
Kommen wir nun zum Umfeld des Linzer Krippenstalles. Hier sieht man, wie aus allen Himmelsrichtungen die Hirten mit ihren Gaben zur Grotte eilen, um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen. Die wichtigsten und schönsten dieser Skulpturen seien im Folgenden vorgestellt. Eines gilt jedoch auch hier: Man trifft in der Linzer Krippe immer wieder auf Hirtentypen, die von anderen Werken Osterrieders bereits bekannt sind.
So sieht man nahe am Eingang des Stalles einen älteren, bärtigen Mann mit einem Lamm auf den Schultern, der vor dem göttlichen Kind niedergekniet ist. Einen weiteren Gabenbringer treffen wir etwas weiter links. Er trägt ein braungelb gestreiftes Kopftuch mit einem kunstvoll geknüpften Turban und bietet der Heiligen Familie in einem Korb je
einen Hahn und eine Henne als Opfergabe dar. Ein weiterer Hirte mit einem prächtigen Schnauzbart, der sein von der Sonne gegerbtes Gesicht schmückt, verharrt etwas weiter dahinter im Gebet.
Hirte mit WidderWenige Schritte weiter ist ein Schäfer, der eine schwere Last, nämlich einen Widder, zu tragen hat, zu sehen (Abb. rechts). Für Kenner des Osterriederschen Oevres
ist auch diese Figur ein „alter Bekannter“, hat der Künstler doch einige seiner Werke mit diesem Typus ausgestattet. In seinen Gesichtszügen vermischen sich die Vorfreude auf das Wunder, welches er schauen wird, und die Anstrengung, die ihm der lange Weg zur Krippe gekostet hat. Seinen bunten Kaftan hat er mit einem Riemen zusammengebunden; daran hängt ein Reisetäschchen. Darüber trägt er einen bunten Mantel.
Von der rechten Seite nähern sich drei weitere Hirten: Der erste ist bereits in die Knie gesunken und stützt sich mit der ausgestreckten Rechten auf seinen Hirtenstab. Er hat dem Christuskind einen Korb mit Früchten mitgebracht. Dahinter schreitet ein noch jüngerer Mann mit gefalteten Händen in Richtung Geburtsgrotte. Schließlich nähert sich von rechts noch ein weiterer Hirte mit einem Widder, den er jedoch mit beiden Händen um den Bauch genommen hat und ihn an seinem Oberkörper festhält.
Auch zwei Knaben haben sich als Musikanten an der Geburtsstätte Jesu eingefunden: ein Doppelflötenbläser und ein Dudelsackpfeifer. Ein weiterer junger Mann, ein Eseltreiber, hat es sich mit seinem Tier vor der „Milchgrotte“ bequem gemacht und scheint auf neue Aufträge zu warten.
Aber auch Szenen aus dem täglichen Leben der Bewohner des Heiligen Landes werden von Osterrieder gezeigt: Ein kahlköpfiger, bärtiger Mann mit einem Wasserkrug ist gerade aus dem Stadttor getreten, von dem der Weg zum Ziehbrunnen führt. Sein „Gegenstück“ sehen wir auf der anderen Seite: eine junge Frau mit ihrem kleinen Sohn. Mit landesüblichem Kopftuch und langem Gewand geht sie durch das große Tor aus der Stadt hinaus, um Wasser zu holen. Der Knabe ist gerade dabei, eine Weintraube zu verzehren.
Woher aber wissen die Hirten, was sich in der Nacht in der Stadt Bethlehem ereignet hat? Das erfahren wir, wenn wir einen Blick nach links oben zum Himmel werfen. Dort schwebt der Verkündigungsengel, eine prächtig bekleidete Figur. Er trägt ein langes, goldenes Gewand mit reicher Damaszierung sowie darüber einen blauen Mantel. Seine Flügel glänzen in goldenen und silbernen Farben. Mit seiner rechten Hand zeigt er auf die am Hirtenfelde ruhenden Schäfer; die Linke ist erhoben und weist auf den Stern, der über dem Krippenberg schwebt. Der Künstler hat hier die Evangelienstelle geschildert, in der der Engel den Hirten die Botschaft bringt: „Fürchtet Euch nicht, ich verkünde Euch eine große Freude!“
Drei der Schäfer, die die Engelsbotschaft soeben vernommen haben, werden von Osterrieder geschildert, wie sie auf unterschiedliche Weise darauf reagieren. Einer von ihnen muss sich nach dem Hören der Nachricht schon erhoben haben, doch der Anblick des himmlischen Boten hat ihn nochmals zu Boden geworfen. Mit dem Gesicht nach unten kauert er auf der Erde, seinen Kopf in den Händen vergraben.
Hirte Sein neben ihm liegender Gefährte ist eben dabei, sich vom Boden zu erheben (Abb rechts). Sein Gesicht zeigt die Freude über das Gehörte, doch seine rechte Hand hat er reflexartig erhoben. Hat er vor der Engelserscheinung Angst? Oder blendet ihn das himmlische Licht des Engelschores? (Abb. 4) Der dritte Hirte, der sich gerade aufgemacht hat, die Weide zu verlassen und den steilen Weg zur Krippe zu beschreiten, ist ein alter, barhäuptiger Mann. Die Anstrengung, die seine beschwerliche Arbeit mit sich bringt, ist seinen Gesichtszügen anzumerken. Mit der Rechten auf seinen Hirtenstab gestützt, in der Linken eine Laterne haltend, hat er die Stufen, die zur Geburtsstätte führen, überwunden und wird als Lohn dafür den kommenden Erlöser in wenigen Augenblicken schauen dürfen.

Wenden wir nun den Blick vom Stall nach rechts, so sehen wir zunächst eine tiefe, von Felsen zerklüftete Grotte. Laut Scherndl wollte der Künstler hier die sogenannte „Milchgrotte“ nachbilden. Diese Höhle in der Nähe von Bethlehem diente der Sage nach Maria und ihrem Kinde zunächst als Versteck, als sie die ersten Gerüchte über den bevorstehenden Kindermord des Herodes vernahm. (6)
Rechts im Anschluss an die Grotte und oberhalb von ihr breitet sich die Stadt Bethlehem aus, wobei – wie schon erwähnt – der vordere Teil plastisch herausgearbeitet wurde, während der rückwärtige Teil an die Rückwand gemalt ist.
Ein besonderer Blickfang ist das große Stadttor, aus dem man über eine Brücke in das Gelände der Geburtsgrotte hinabsteigen kann. Besonders imposant ist dabei der Blick, den man durch das Tor in die Gassen und Häuserfluchten der Geburtsstadt Jesu machen kann. Der Durchgang des Tores hat übrigens eine Höhe von fast einem Meter; ein gebückt gehender Mensch könnte also ohne Schwierigkeiten hindurch gehen. Eine beeindruckende Stadtmauer mit ihren Zinnen und Erkern schließt die Domkrippe rechts ab. Soweit das „Bühnenbild“, vor dem sich das weihnachtliche Geschehen abspielt.

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Vorbemerkung

Lage und Ausmaße
Architektonische und landschaftliche Gestaltung

Das Figurenprogramm der Domkrippe
Die Weihnachtskonfiguration
Die Dreikönigs-Konfiguration
Der Engelschor
Sebastian Osterrieder – Leben und Werk
Auftragsgenese und Entstehungsgeschichte der Domkrippe
Die Domkrippe in der oberösterreichischen Krippentradition



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