Ein Artikel aus
OÖ. Heimatblätter
2013 Heft 3/4
Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um
einen Auszug aus der im Jahre 2012 von Wolfgang Sachsenhofer an der
Katholisch-Theologischen Privat-Universität eingereichten
Diplomarbeit in Kunstwissenschaft.
Abb. oben: Dreikönigs-Konfiguration (Ausschnitt)
Abbildungen darunter:
Anbetung der Könige (Ausschnitt);
Page des dritten Königs
Anmerkung:
(9) Vgl. „Ave Maria“, Jahrgang 1913, 219 (mit Abbildung).
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Die Linzer Domkrippe von Sebastian Osterrieder
und
die Tradition der Weihnachtskrippe in Oberösterreich
Autor: Wolfgang Sachsenhofer
Die Dreikönigs-Konfiguration
Ab Ab dem 6. Jänner spielt der zweite Akt auf der Krippenbühne in der Linzer Domkrypta: die Heiligen Drei Könige mit ihrem Gefolge haben Einzug gehalten. Sie treffen jedoch eine Heilige Familie an, die sich von der, die wir zu Weihnachten kennengelernt haben, signifikant unterscheidet.
Die strohbedeckte Krippe, in der das Jesuskind lag, ist verschwunden. Stattdessen sehen wir nun einen etwa zweijährigen Knaben, der auf dem Schoß seiner Mutter sitzt. Maria ist auch nicht mehr die ärmliche, schlicht gekleidete Frau, als die sie uns von der Weihnachtskonfiguration bekannt war. Aus ihr ist eine „Himmelskönigin“ geworden: Sie trägt ein rotes Kleid mit V-förmigem Ausschnitt, welches mit Gold eingefasst und mit Edelsteinen besetzt ist, und dazu einen kostbaren Gürtel. Ihren blauen Mantel hat sie als Unterlage für das Kind
auf ihrem Schoß ausgebreitet; er fällt mit zahlreichen kaskadenförmigen Falten zu Boden und lässt dabei sein goldenes Innenfutter erkennen. Auch dieser Maria haftet – wie schon der Maria in der Weihnachtsgruppe – nichts Orientalisches an: sie ist vielmehr eine abendländische Madonna, wie wir sie von zahlreichen Skulpturen eines Michael Pacher, eines Tilman Riemenschneider oder eines Michel Erhart kennen. Ihr „spätgotisches“ Aussehen beginnt schon bei ihren feinen Gesichtszügen, setzt sich fort bei ihrem weißen, in der Manier des 15. Jahrhunderts kunstvoll drapierten Kopftuch und endet im Faltenwurf ihrer Kleidung.
Das am Schoße seiner Mutter sitzende Jesuskind, welches mit einem langen weißen Hemdchen bekleidet ist und bereits den Christus-Nimbus trägt, segnet den vor ihm knienden König. Einen Teil seines Geschenks, einen prächtigen goldenen Deckelpokal, hat der Knabe mit seiner Mutter, die ihm dabei hilft, schon „in Besitz genommen.“ (Abb. unten)
Nun aber zu den königlichen Besuchern:
Im zweiten Kapitel des Matthäusevangeliums ist zu lesen, dass „Sterndeuter aus dem Osten“ nach Jerusalem gekommen waren und nach dem neugeborenen König der Juden fragten.
Sieht man sich die Könige der Linzer Domkrippe genauer an, so hat zumindest der erste vor dem Jesuskind in die Knie gefallene Herrscher ein durchaus abendländisches Aussehen. Balthasar Scherndl war sogar der Meinung, dass Osterrieder diesem König, der als würdevoller Greis mit langem, weißen Bart dargestellt ist, die Gesichtszüge Karls des Großen verliehen habe.(9) Auf der zitierten Abbildung ist der König sogar noch mit der römisch-deutschen Kaiserkrone zu sehen. Leider ist der Bügel dieser Krone, der die Stirn- und die Nackenplatte verband, im Laufe der Zeit verloren gegangen. Sein rot-goldener, mit Edelsteinen verzierter Mantel fällt mit großen Knitterfalten zu Boden. Um den Nacken hat er ein wertvolles Hermelinmäntelchen gewickelt. Mit gefalteten Händen betet er das göttliche Kind an. Neben dem schon beschriebenen Pokal hat er weiteres Gold als Geschenk mitgebracht: Eine kostbare Schatulle, die – halb geöffnet – den Blick auf ihren funkelnden Inhalt freigibt, liegt bereits zu Füssen Mariens. Unmittelbar hinter ihm steht ein junger Page, auch er durchaus „westlich“ anzusehen, mit kurzem, blauen Röckchen und je einem weißen und roten Strumpf bekleidet. In seinen Händen hält er ein Samtkissen, auf dem ein Zepter liegt. Wird der König dieses dem künftigen König der Juden zum Geschenk machen?
Dem Bericht des Apostels Matthäus zufolge brachten die drei Weisen dem Kind Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke dar. Der zweite König, ebenso bärtig, aber jünger an Jahren, ist ebenfalls schon vor dem göttlichen Kind niedergekniet. Er trägt in seiner rechten Hand ein halbmondförmiges goldenes Gefäß, an dessen beiden Enden Flammen hochzüngeln. Es handelt sich um ein Weihrauchgefäß. Er ist mit einem weißen, mit Blumen verzierten Kaftan mit weinrotem Innenfutter bekleidet. Darüber trägt er einen goldenen,
mit Edelsteinen besetzten Mantel, dessen lange Schleppe ein Mohrenpage hält. Sowohl König als auch Page tragen kostbare Turbane.
Der dritte König schließlich, von dem in der Heiligen Schrift die Rede ist, bringt dem Kind eine Schatulle mit Myrrhe dar. Er ist noch nicht an der Krippe angelangt, also schreitend dargestellt. Der dunkelhäutige, bärtige Mann trägt eine Krone mit einer pickelartigen Spitze. Sein kostbares Kleid ist weiß mit buntem Muster; darüber trägt er einen hellblauen Mantel mit rotem Futter.
Die lange Schleppe des Mantels wird von seinem ebenfalls dunkelhäutigen und prächtig gekleideten Pagen getragen. Diese Figur ist eine der köstlichsten Schöpfungen Osterrieders. Man sieht es dem kleinen Mann förmlich an, wie stolz er darauf ist, „seinem“ König die Schleppe tragen zu dürfen! (Abb. rechts)
Nun wollen wir noch das Gefolge der drei Könige betrachten, welches Osterrieder (neben dem Engelschor, von dem später noch die Rede sein wird) als Letztes für unsere Domkrippe geschaffen hat. Nicht weniger als sieben Kamele, außerdem ein Elefant und ein Araberhengst samt Bereitern und Lenkern werden aufgeboten, um dem Beschauer ein möglichst farbiges Bild des Orients und seiner materiellen Kultur bieten zu können. Zeltstangen und -decken, Körbe, Flaschen und Trinkbecher, Kochpfannen und Geschirr, aber auch
Waffen wie Speere und Wurfspieße und die dazugehörigen Köcher dürfen dabei nicht fehlen.
Es ist ein schwieriger Spagat, der Osterrieder in Linz gelungen ist: Einerseits versuchte er mit seiner Krippe den Menschen des beginnenden 20. Jahrhunderts das Heilige Land mit seinen Bewohnern und seiner Kultur näherzubringen. Dabei verfiel er aber nicht in das Extrem, die Geburt Jesu lediglich als Vorwand zu gebrauchen, um dem Beschauer ein
Spektakel mit phantastischen Landschaften und Gebäuden und einer Unmenge von malerisch gekleideten Personen und exotischen Tieren zu bieten. Osterrieders Krippe hat bei allen Superlativen, die sie uns zeigt, dennoch in erster Linie eine religiöse Funktion. Ist es da ein Wunder, dass die Besucher gerade in den ersten Jahren in Scharen zur Krippe kamen, um das Weihnachtsgeschehen von Bethlehem intensiv nacherleben zu können?
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Vorbemerkung
Lage und Ausmaße
Architektonische und landschaftliche Gestaltung
Das Figurenprogramm der Domkrippe
Die Weihnachtskonfiguration
Die Dreikönigs-Konfiguration
Der Engelschor
Sebastian Osterrieder – Leben und Werk
Auftragsgenese und Entstehungsgeschichte der Domkrippe
Die Domkrippe in der oberösterreichischen Krippentradition
Krippenformen - Krippentypen
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